Zeittafel zum Großen Postraub

 

1962

 

Dienstag, 27. November 1962

"London Airport Robbery":

Überfall auf die Lohnkasse der Fluggesellschaft BOAC auf dem Londoner Flughafen. Die Täter, bekleidet wie feine Herren aus der "City", stürmen den Eingangsraum des "Comet House" (BOAC-Verwaltungssitz), als die Kiste mit den Lohngeldern hereingebracht wird. Einige haben im absichtlich blockierten Aufzug auf den Moment gewartet. Sie überwältigen die Geldboten und erbeuten 62.500 £ (heutiger Wert ca. 1,2 Millionen €). Die "City Gents", wie sie bald von der Presse tituliert werden, entkommen in zwei Jaguar-Limousinen, eine davon war kurz zuvor einem bekannten TV-Detektiv gestohlen worden.

Mindestens fünf, wahrscheinlich sechs spätere Posträuber sind mit von der Partie: Reynolds, Edwards, Goody, James und Wilson; außerdem einer, der unter dem Alias "Bill Jennings" ("Flossy") zum bis heute unbekannten Teil der Posträuber gehört. Vor Gericht landen nur Gordon Goody - der freigesprochen wird - und Mickey Ball, der Fahrer eines Fluchtautos (das andere steuerte "natürlich" Roy James). Ball "verplappert" sich bei einer Gegenüberstellung: Man könne ihn im feinen Zwirn gar nicht wieder erkennen, er habe ja eine Fahreruniform getragen. Er wird verurteilt.

 

1963

 

Montag, 29. Juli 1963

Kauf der Leatherslade Farm:

Leonard Field, Hafenarbeiter, erwirbt für 5.500 £ (heute ca. 110.000 €) die Leatherslade Farm in der Nähe von Oakley. Die Verkäufer, Mr. und Mrs. Rixon, erhalten 10 % Anzahlung. Der Rest wird nie gezahlt. Doch Leonard Field ist nur ein Strohmann für seinen Namensvetter Brian Field, mit dem er nicht verwandt ist, und der schon Gordon Goody beim Prozess nach dem Flughafen-Job vertrat. Abgewickelt wird das Geschäft von der Kanzlei John Wheater, Arbeitgeber von Brian Field.

Die Leatherslade Farm erscheint den Posträubern als ideale Ausgangsbasis für den Raub. 20 Meilen Luftlinie vom geplanten Tatort entfernt, einsam auf einem Hügel gelegen, bietet sie Schutz vor neugierigen Blicken und zugleich beste Sicht in alle Himmelsrichtungen. Stromanschluss gibt es dagegen nicht.

 

Dienstag, 6. August 1963

Absage in letzter Minute

Im Verlaufe des Abends wird den bereits in der Leatherslade Farm versammelten Posträubern durch ihre Informanten übermittelt, dass der Postzug dieses Tages nur eine vergleichsweise geringe Menge Geld an Bord hat. Man entscheidet sich, den für die Nacht auf den 7. geplanten Überfall um 24 Stunden zu verschieben. Auf diese Weise werden einige der zuvor konstruierten Alibis, etwa von Gordon Goody, hinfällig.

 

Mittwoch, 7. August 1963

Der Zug rollt an

Der "Up Special" Postzug von Glasgow nach London Euston Station verlässt um 18:50 Uhr den Bahnhof von Glasgow. In Carstairs, 28 Meilen südlich von Glasgow, werden weitere Waggons angehängt. In Carlisle wird der Zug komplettiert. Weitere Zwischenstops erfolgen in Preston und Warrington. Gegen Mitternacht übernehmen in Crewe Lokführer Jack Mills und sein "Fireman" David Whitby den Zug. Bei letzten Aufenthalten in Tamworth und Rugby werden weitere Post- und Geldsäcke an Bord genommen. Schließlich befinden sich 128 Postsäcke mit Geld im zweiten Waggon, der von fünf Postbeamten begleitet wird, und der von der Lok nur durch einen unbesetzten Paketwagen getrennt ist.

 

Donnerstag, 8. August 1963

Die Gentlemen bitten zur Kasse

3:05   Der Postzug kommt durch das manipulierte Signal zum Stehen. Den weiteren Verlauf entnehmen Sie bitte der Seite "Der Postraub".

3:10   Im hinteren Zugteil bemerkt Thomas Miller (61) das Fehlen der Lok. Gemäß Vorschrift läuft er zunächst ca. 1 Meile zurück und platziert so genannte "Detonators" (Knallsignale) auf der Strecke, damit nachfolgende Züge gewarnt werden und nicht ungebremst auf den stehenden Zug auffahren. Dann geht er bis zur Bridego-Brücke.

3:30   Die Posträuber sind bereits mit 120 der 128 Säcke verschwunden, als Miller an der Brücke ankommt. Da alle Telefondrähte an der Strecke gekappt sind, lässt sich Miller "per Anhalter" von einem Zug zum nächsten Bahnhof in Cheddington bringen.

4:24   Miller ruft von Cheddington aus im Zielbahnhof Euston Station an. Dort informiert man Scotland Yard.

4:30   Über Scotland Yard wird die lokale Polizei in Buckinghamshire alarmiert. Etwa zu dieser Zeit kommen die Posträuber an der Leatherslade Farm an.

5:00   Die Polizei trifft am Tatort ein. Detective Superintendent Malcolm Fewtrell, Chef der Polizei in Buckinghamshire nimmt mit seinen leuten den geplünderten Zug in Augenschein. Fewtrell wird die Ermittlungen bis zu seiner Pensionierung im Frühjahr 1964 leiten.

15:00 Nach einem ersten Polizeimeeting werden von Scotland Yard ganze zwei Mann nach Aylesbury entsendet: Detective Superintendent Gerald McArthur und Detective Sergeant Jack Pritchard.

 

Freitag, 9. August 1963

35.000 £ Belohnung

Noch immer ist den Behörden unklar, wieviel "Kasse" die Gentlemen gemacht haben. Erste Schätzungen von 1 Million £ kursieren in den Medien. Der G.P.O. (General Post Office) setzt eine Belohnung von 35.000 £ für Hinweise aus, die zur Ergreifung der Täter führen. Sie wird in den folgenden Tagen schrittweise auf über 200.000 £ gesteigert - mehr, als jeder Posträuber als Anteil bekommen hat.

 

Montag, 12. August 1963

Erste Hinweise auf Leatherslade Farm

In den Medien wird die Bevölkerung aufgerufen, verdächtige Bewegungen in Farmen und Einzelgehöften im Umkreis des Tatorts zu melden. John Marris, Landwirt aus Oakley, kommt beim Lesen seiner Morgenzeitung ein Verdacht. Er inspiziert die nahegelegene Leatherslade Farm, wo vor kurzem neue Leute eingezogen waren, findet sie jedoch still und scheinbar verlassen vor. Er ruft die Sonder-Telefonnummer der Polizei, Aylesbury 5010 an und berichtet. Sein Hinweis kann aus Zeitgründen aber nicht gleich bearbeitet werden, da die Polizei von tausenden Anrufen überschwemmt wird.

 

Dienstag, 13. August 1963

Das Versteck ist gefunden - aber die Vögel sind ausgeflogen

Nachdem John Marris erneut Aylesbury 5010 angerufen hat, gehen Seargant Don Blackman und P.C. Wooley zur Leatherslade Farm. Sie finden das Haus verlassen vor und entdecken im Keller haufenweise leere Postsäcke. Kein Zweifel, die Farm ist das gesuchte Versteck. Von den Posträubern und dem Geld findet sich keine Spur; später werden immerhin insgesamt 628 £ und 10 Shilling gefunden, die als "Kleingeld" (immerhin 12.000 €) zurückgeblieben waren. In den folgenden Tagen versammeln sich scharenweise Spezialisten von Scotland Yard auf der Leatherslade Farm, um sie nach Spuren und Fingerabdrücken zu untersuchen.

 

Mittwoch, 14. August 1963

Die ersten Verhaftungen und das erste Geld - Cordrey und Boal "bringen" 141.000 £

In Bournemouth werden Roger Cordrey und Bill Boal verhaftet, als sie von der 67-Jährigen Emily Clark eine Garage anmieten wollen und ein mehrfaches der Miete im Voraus anbieten. Der misstrauischen Polizisten-Witwe kommt die ganze Geschichte verdächtig vor. Als Polizisten die beiden Männer ansprechen, ergreifen diese panisch die Flucht, werden aber überwältigt. In den Fahrzeugen der beiden findet die Polizei insgesamt 141.000 £. Im Verhör stellt sich vor allem Boal ausgesprochen ungeschickt an. Heute gilt es als gesichert, dass er nicht am Postraub beteiligt war, sondern Cordrey beim Verstecken seines Anteils helfen wollte.

Am gleichen Tag wird Chief Superintendent Tommy Butler von Scotland Yard als weiterer Ermittler auf den Fall angesetzt. Butler wird in den folgenden Jahren zum rastlosen Jäger der flüchtigen Posträuber.

 

Freitag, 16. August 1963

100.100 £ im Wald - und eine Rechnung aus Deutschland

Auf dem Weg zur Arbeit entdeckt Motorradfahrer John Ahern auf einer Lichtung im Wald nahe Dorking eine Sporttasche. Sie ist prall gefüllt mit Geld aus dem Postraub. Die herbeigerufene Polizei findet noch einen weiteren Koffer mit Geld unweit der Lichtung. Insgesamt werden 100.100 £ gefunden. In der Sporttasche findet sich eine deutsche Hotelrechnung aus dem Februar 1963. "Herr und Frau Field" haben im Hotel Sonnenbichl im Allgäu Urlaub gemacht. Dies bringt die Polizei später auf die Spur von Brian Field.

 

Dienstag, 20. August 1963

30.440 £ im Wohnwagen

Der Campingplatz "Clovelly Caravan Site" in Box Hill liegt gerade 4 Meilen von der Lichtung entfernt, auf der vier Tage zuvor Geld aus dem Postraub gefunden wurde. In einem verdächtigen Wohnwagen findet die Polizei in der Wandverkleidung insgesamt 30.440 £. Der Wagen gehört Jimmy White. White bleibt jedoch noch lange flüchtig.

 

Donnerstag, 22. August 1963

"Wanted" - Reynolds, Wilson, White

Bruce Reynolds, Charlie Wilson und Jimmy White werden zur Fahndung ausgeschrieben. Noch bevor die Plakate und Zeitungsinserate erscheinen, wird Charlie Wilson festgenommen.

 

Samstag, 24. August 1963

Roy James wird zur Fahndung ausgeschrieben.

 

Mittwoch, 4. September 1963

Ronnie Biggs wird festgenommen.

 

Samstag, 7. September 1963

James Hussey wird festgenommen.

 

Dienstag, 10. September 1963

Thomas Wisbey meldet sich bei der Polizei. Er wird nach Befragung zunächst wieder freigelassen, später jedoch festgenommen.

 

Samstag, 14. September 1963

Leonard Field wird festgenommen.

 

Sonntag, 15. Septmeber 1963

Brian Field wird festgenommen.

 

Dienstag, 17. September 1963

John Wheater wird festgenommen.

 

Donnerstag, 3. Oktober 1963

Goody's two Shoes

Gordon Goody wird festgenommen, nachdem an einem Paar Wildlederschuhe aus seinem Besitz Farbspuren gefunden werden. Die Spektralanalyse zeigt, dass sie mit den Farbspuren auf den Bremspedalen des LKWs übereinstimmen, den die Räuber auf der Leatherslade Farm zurückgelassen hatten. Die Presse spricht daraufhin in Anspielung auf ein Lied von "Goody's two Shoes".

 

Montag, 2. Dezember

50.000 £ in der Telefonzelle

Nach einem anonymen Anrufe bei Chief Inspector Bradbury findet sein Kollege Frank Williams von Scotland Yard wie angekündigt in einer Londoner Telefonzelle in der Great Dover Street einen Sack mit 47.245 £. Das Geld ist feucht, klebt zusammen und riecht nach Erde. Ganz offensichtlich stammte es aus dem Postraub; aus wessen Anteil, ist aber bis heute ungeklärt. Man geht davon aus, dass es einem der nicht ermittelten Täter gehörte.

 

Dienstag, 3. Dezember 1963

John Daly und Roy James werden festgenommen

James versucht, sich durch eine abenteuerliche Flucht über das Dach des Hauses seiner Festnahme zu entziehen. Am Ende springt er fast 9 Meter in die Tiefe auf eine Wiese, wo er festgenommen wird. "Ich hatte wohl noch Glück, dass ich mir nicht den Hals gebrochen habe" sagt er zur Polizei.

 

1964

 

Montag, 20. Januar 1964

Der Prozess in Aylesbury beginnt

Wegen der großen Zahl von Angeklagten, Verteidigern, Staatsanwälten, Journalisten, Schaulustigen und Familienangehörigen findet der Prozess gegen die Posträuber nicht in den Räumlichkeiten des örtlichen Gerichts (assize court) von Aylesbury statt, sondern im Gebäude des "rural district counsel" Aylesbury, was man vielleicht mit "Landkreis-Tag" übersetzen kann. Es sollte der längste der britischen Justizgeschichte werden.

Unter dem Vorsitz von Richter (chief justice) Edmund Davies werden insgesamt 20 Personen im Zusammenhang mit dem Postraub angeklagt. Die beiden wichtigsten Anklagepunkte:

1. Verschwörung zum Postraub zwischen dem 1. Mai und dem 9. August 1963

2. Raub von 120 Postsäcken aus dem Besitz von Frank Dewhurst (dem Leiter des 5-Personen-Teams im Geldwaggon)

Der seltsame zweite Anklagepunkt ist ein juristischer Kunstgriff: Hätte die Anklage auf Raub des Geldes gelautet, so wären über 50 verschiedene Banken als Eigentümer in die direkte Beweisaufnahme einzubeziehen gewesen. Stattdessen klärte man den Diebstahl der Postsäcke und leitete hiervon gewissermaßen alles weitere ab.

Bis auf Roger Cordrey bekennen sich alle "nicht schuldig". Sein Verfahren wird abgetrennt und auf ein späteres Datum verschoben, ebenso wie das gegen sieben weitere Personen, denen nicht Teilnahme am Postraub, sondern nur das wissentliche Annehmen von gestohlenem Geld ("Receiving") vorgeworfen wird.

 

Donnerstag, 6. Februar 1964

Erste Panne - Biggs wird "ausgegliedert"

Im Verlauf der Vernehmung erwähnt ein Zeuge, dass Ronald Biggs vor dem Postraub bereits eine Haftstrafe abgesessen hat (übrigens gemeinsam mit dem noch flüchtigen Reynolds). Nach britischem Gesetz dürfen die Geschworenen über Vorstrafen eines Angeklagten nicht unterrichtet werden. Das Verfahren gegen Biggs wird daher abgetrennt, einer neuen Jury von Geschworenen zugewiesen und an das Ende des Prozesses verlagert.

 

Freitag, 14. Februar 1964

John Daly wird freigesprochen

Reynolds Schwager John Daly wird auf Antrag seines Verteidigers aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Seine Fingerabdrücke waren lediglich auf einem Monopoly-Spiel auf der Farm gefunden worden. Auch die Tatsache, dass Daly sich nach der Tat eine Weile versteckt gehalten hatte, wird nicht als hinreichender Beweis für seine Beteiligung gesehen. Heute gilt als gesichert, dass Daly am Postraub teilgenommen hat.

 

Donnerstag, 26. März 1964

Die Jury verkündet Ihre Schuldsprüche

Die Geschworenen erklären 9 Männer für schuldig im Sinne des ersten Punktes der Anklage (Verschwörung): Boal, Wilson, Wisbey, Welch, Hussey, James, Goody sowie Leonard und Brian Field. Alle außer Brian Field werden auch im zweiten Anklagepunkt schuldig gesprochen (Raub von 120 Postsäcken). Die Verkündung des Strafmaßes durch Richter Edmund Davies wird bis auf das Ende des Verfahrens gegen Biggs verschoben.

 

Mittwoch, 8. April 1964

"Kurzer Prozess" gegen Ronnie Biggs

Nicht in den bisherigen Räumlichkeiten des Postraub-Prozesses, sondern im Gericht von Aylesbury wird das Verfahren gegen Ronald Biggs eröffnet und in wenigen Tagen mit denselben Anklagepunkten durchgeführt wie gegen die anderen Posträuber. Biggs erstes Alibi war bereits geplatzt, sein zweites ist noch weniger glaubwürdig. Schließlich tischt er dem Gericht seine Version einer Minimal-Beteiligung am Postraub auf. Es dauert nur 90 Minuten, bis sich die Geschworenen von seiner Schuld überzeugt sehen.

 

Donnerstag, 16. April 1964

"Eleven greedy men" - die hohen Strafen spalten England

Volle drei Wochen mussten 9 der Verurteilten warten, bis ihnen nach dem Schuldspruch auch das Strafmaß verkündet wurde. Im Vorfeld waren die meisten Beobachter von etwa 15 Jahren ausgegangen. Doch Richter Davies, bekant für harte Strafen, statuiert ein Exempel, wie schon seine Ansprache an den ersten Verurteilten, Roger Cordrey zeigt:

 "Sie sind der erste von elf gierigen Männern, die die Hoffnung auf schnellen Profit anlockte. Sie und Ihre Mitangeklagten wurden der Beteiligung an einem Verbrechen überführt, das in seiner Dreistigkeit und Ungeheuerlichkeit in diesem Jahrhundert ohne Beispiel ist. Ich werde alles in meiner Macht stehende dafür tun, dass es auch das letzte bleibt... Lassen sie uns die romantische Verklärung als ein "Husarenstück" beiseite schieben: Das war nichts anderes als ein schäbiges Gewaltverbrechen, getrieben von maßloser Gier.."

Davies verurteilt Cordrey, den einzigen geständigen Posträuber, zu 20 Jahren Haft. Bill Boal erhält 24 Jahre. Auch die Strohmänner für den Hauskauf erwischt es (zunächst) deftig: Brian Field und sein Namensvetter Leonard erhalten 25 Jahre. Einzig John Denby Wheater kommt mit drei Jahren noch glimpflich davon.

Keine Gnade gibt es für die acht Hauptangeklagten Biggs, Goody, Hussey, James, Welch, Wilson und Wisbey. Sie alle müssen für unglaubliche 30 Jahre hinter Gitter. England ist geschockt, die Nation gespalten: Für Kindermörder und Vergewaltiger gibt es weitaus geringere Strafen. Die erregte Diskussion über Davies' drakonisches Urteil wird noch Jahrzehnte anhalten. Sie trägt schließlich zu einer Strafrechtsreform bei, in deren Zuge auch die verurteilten Posträuber freikommen werden, die meisten nach rund 11 Jahren. Ironie der Geschichte: Hätte Davies moderatere Strafen verhängt, hätten die Posträuber vielleicht sogar länger im Gefängnis sitzen müssen.

 

Montag, 13. Juli 1964

Erfolge im Berufungsverfahren für Cordrey, Boal und die beiden Fields

Während den Hauptangeklagten eine Zulassung zum Berufungsverfahren verweigert wird, verbuchen Roger Cordrey und William Boal Teilerfolge: Für Boal wird der Schuldspruch zum ersten Anklagepunkt aufgehoben und die Strafe auf 14 Jahre reduziert, für Cordrey bleibt der Schuldspruch zwar bestehen, die Strafe wird jedoch ebenfalls auf 14 Jahre herabgesetzt. Noch besser kommen Leonard und Brian Field davon: Für beide wird der Schuldspruch zum ersten Anklagepunkt aufgehoben; ihnen verbleibt die Strafe aus Punkt zwei der Anklage: 5 Jahre.

 

Mittwoch, 12. August 1964

Charlie Wilson aus dem Gefängnis befreit

Drei unbekannte "entführen" Charlie Wilson aus dem Gefängnis Wilson Green in der Nähe von Birmingham. Sie überwältigen nachts die Wärter, kommen mit deren Schlüssel in seine Zelle und verlassen mit ihm unerkannt über Strickleitern die Haftanstalt.

 

 

1965

 

Donnerstag, 8. Juli 1965

Der trojanische Möbelwagen - Ronnie Biggs wird aus dem Gefängnis befreit

Spektakuläre Flucht aus dem Londoner Gefängnis Wandsworth: Ein Möbelwagen hält vor der Gefängnismauer, während im Innenhof die Gefangenen Frischluft schnappen. Da wird eine Hebebühne aus dem Möbelwagen bis auf die Höhe der Mauer ausgefahren, zwei bewaffnete und maskierte Gangster werfen eine Strickleiter aus, und während zwei bestochene Häftlinge die Wärter festhalten, entkommen Ronnie Biggs und sein Mithäftling Eric Flower über die Leitern und den Möbelwagen in zwei bereitstehende Fluchtfahrzeuge.

Für Biggs ist es der Auftakt zu einer Flucht, die über 30 Jahre dauern und ihn, das kleinste Licht in der Gang, zum bekanntesten Posträuber weltweit machen wird. Über Antwerpen flieht er zunächst mit dem Auto nach Paris, wo er einige Monate bleibt. 

 

29. Dezember 1965

Biggs fliegt nach Australien

Ronnie Biggs verlässt Paris in Richtung Sidney, nachdem er sich einer Gesichts-OP unterzogen hat. Dort wird er für mehrere Jahre unerkannt in Melbourne untertauchen.

  

1966

 

Dienstag, 8. Februar 1966

"Die Gentlemen Bitten zur Kasse" wird zum Straßenfeger in Deutschland

Ausgerechnet in Deutschland wird die weltweit erste Verfilmung des Postraubes gezeigt. Der Norddeutsche Rundfunk sendet die 1965 entstandene, dreiteilige Serie "Die Gentlemen bitten zur Kasse" am 8., 10. und 13. Februar. Mit geschätzten Einschaltquoten nahe 90 % wird die bis dahin höchste Sehbeteiligung der deutschen TV-Geschichte erreicht. Noch während der Dreharbeiten war die Flucht von Biggs aus dem Gefängnis mit ins Drehbuch aufgenommen worden.

Später im gleichen Jahr erscheint in England ein Kino-Film unter dem Titel "The Great St. Trinians Train Robbery". Der Stoff ist an den Postraub angelehnt, jedoch nicht dokumentarisch.

 

Dienstag, 12. April 1966

Jimmy White wird festgenommen

Nachdem die Sunday Express am 10. April 1966 Fotos der drei noch immer gesuchten Posträuber Reynolds, White und Edwards sowie der wieder geflüchteten Wilson und Biggs veröffentlicht hat, wird Jimmy White von einem neuen Bekannten erkannt, der ihn bei der Polizei anzeigt. Ein paar Tage später lässt sich White in seinem neuen Heim in Littlestone (Grafschaft Kent) widerstandslos festnehmen. Für ihn und seine Frau Sheree gehen knapp drei Jahre auf der Flucht zu Ende. Sein Geld ist nahezu aufgebraucht.

 

Montag, 20. Juni 1966

White erhält "nur" 18 Jahre Haft

Nachdem sich Jimmy White im Verlaufe des Prozesses vor dem Gericht in Leicester doch noch "schuldig" bekannt hatte, wird durch Richter Nield eine Haftstrafe von 18 Jahren verhängt - nur wenig mehr als die Hälfte dessen, was die meisten anderen Posträuber zwei Jahre vorher bekommen hatten.

 

Montag, 19. September 1966

Buster Edwards stellt sich der Polizei

Nach langer Flucht über Mexiko und die USA stellt sich Buster Edwards nach Verhandlungen mit Frank Williams von Scotland Yard den englischen Behörden. Williams Chef, Superintendent Tommy Butler nimmt ihn im Hause seines Freundes Bernie Carton fest. Edwards war nicht zuletzt in der Hoffnung auf eine ähnlich reduzierte Strafe wie bei Jimmy White zurückgekehrt, nachdem er das Leben auf der Flucht nicht länger aushielt.

 

Freitag, 9. Dezember 1966

Buster Edwards erhält 15 Jahre Haft

Das zweitägige Verfahren gegen Edwards endet mit Verurteilung in zwei Anklagepunkten, für die er zu zwei - gleichzeitig laufenden - Haftstrafen von 12 und 15 Jahren verurteilt wird. Damit ist seine Strafe noch niedriger als die von White ausgefallen, obwohl er in der Hierarchie der Posträuber im Gegensatz zu White zu den Anführern gehörte.

 

1967

 

Mittwoch, 17. Mai 1967

Auch die Queen interessiert sich für den Postraub

Beim Besuch des Neuen Hauptquartiers von Scotland Yard lässt sich Queen Elizabeth II von zwei Fingerabruck-Spezialisten Beweisstücke zum Postraub zeigen und erläutern.

 

August 1967

Premiere für "Robbery"

Mit dem Film "Robbery" hat die erste englische Verfilmung des Postraubes Kino-Premiere. Stanley Baker spielt Bruce Reynolds; auch in diesem Film sind die Namen noch verändert.

 

1968

 

Donnerstag, 25. Januar 1968

Charlie Wilson in Kanada verhaftet

Erfolg für Tommy Butler von Scotland Yard: Er nimmt, begleitet von 50 kanadischen Sicherheitskräften, den ahnungslosen Charlie Wilson vor seinem Haus in Rigaud, Kanada fest, als dieser gerade die Kinder zur Schule fahren will. Wilsons Frau Pat hatte die Familie durch ein unvorsichtiges Telefonat in die Heimat verraten, wo die Anschlüsse der Verwandten überwacht wurden. Wilson wird nach England geflogen und dort in das Gefängnis Parkhurst auf der Isle of Wight gebracht, wo er den Rest seiner 30-jährigen Haftstrafe absitzen soll. Damit sind nur noch zwei Gesuchte auf freiem Fuß: Reynolds und Biggs. Butler hat Scotland Yard ersucht, seine Pensionierung aufzuschieben, bis auch diese zwei gefasst sind. Im Haus der Wilsons findet die Polizei aktuelle Fotos von Bruce Reynolds und seiner Familie.

 

Freitag, 8. November 1968

Bruce Reynolds festgenommen

Um sechs Uhr früh stürmt die Polizei die "Villa Cap Martin" in Torquay, England. Sie nimmt Bruce Reynolds gefangen, der das Haus unter falschem Namen gemietet hatte. Reynolds hatte nach seiner Flucht mehrere Jahre mit seiner Frau Frances und dem gemeinsamen Sohn Nick in Mexiko gelebt, war dann über Kanada und Südfrankreich nach England zurückgekehrt. Damit ist nach über fünf Jahren Flucht nun auch der "Major" in Haft.

 

1969

 

Dienstag, 14. Januar 1969

25 Jahre für Bruce Reynolds

Vor dem Gericht in Aylesbury wird Bruce Reynolds mit denselben Anklagepunkten konfrontiert, die fünf Jahre zuvor auch seine Komplizen traf. Reynolds bekennt sich schuldig und bedauert seine Taten. Er hilft der Polizei, die ihm noch verbliebenen 5.500 Pfund aus dem Postraub zu finden. Dieser "Deal" schützt seine Frau und seine Fluchthelfer, erbringt ihm aber - anders als Edwards - keine wesentliche Milderung seiner Strafe. Richter Thompson:

"Es wäre falsch für mich, die Vorstellung zu ermutigen, dass es die Strafe verringert, wenn sich ein Krimineller seiner Verhaftung eine Zeit lang erfolgreich entzieht."

Reynolds wird zu 25 Jahren verurteilt.

 

Freitag, 17. Oktober 1969

Australiens Polizei ist Ronnie Biggs dicht auf den Fersen

Einen Tag nach Veröffentlichung eines Fahndungsfotos von Biggs im Australischen Fernsehen durchsucht die Polizei das Haus in Melbourne, in dem Biggs seit mindestens zwei Jahren unter dem Namen "Terry Cook" gelebt hatte. Wenige Tage später kommt die Polizei nur Stunden zu spät in ein Motel, in dem sich Biggs aufgehalten hatte.

 

1970

 

Mittwoch, 4. Februar 1970

Lockführer Jack Mills stirbt an Leukämie

Nach Komplikationen mit einer Lungenentzündung stirbt Jack Mills, der Lokführer des Postzuges, in seiner Heimatstadt Crewe. Der Staatsanwalt der Grafschaft sieht keinen Grund für eine Untersuchung. "Es ist mir sehr wohl bewusst, dass Herr Mills bei dem Postraub des Jahres 1963 eine Kopfverletzung erliten hat. Nach meiner Meinung gibt es keine Verbindung zwischen diesem Vorfall und seiner Todesursache." Am 21. Februar behauptet Peta Fordham, Frau eines Verteidigers der Posträuber, in einem Brief an die Times, dass Mills ihr gegenüber gestanden habe, die Posträuber hätten ihn "wie Gentlemen" behandelt und die Verletzungen seien nicht durch den Schlag, sondern durch den anschließenden Sturz gegen die Kabinenwand entstanden. Er sei von seinem Arbeitgeber gewarnt worden, dies auf keinen Fall vor Gericht zu sagen, da sonst seine Pension in Gefahr sei.

 

Donnerstag, 5. Februar 1970

Ronnie Biggs verlässt Australien

Ronald Biggs geht in Melbourne an Bord der SS Ellinis mit Kurs auf Panama. Seine Reise wird bis zum 11. März dauern und ihn bis nach Rio de Janeiro bringen.

 

Montag, 13. April 1970

Bill Boal erneut im Gefängnishospital

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen wird William Boal in das Gefängniskrankehaus Wormwood Scrubs in London verlegt. Er leidet unter ständigen Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Erbrechen, sieht zudem alles doppelt. Die Ärzte behandeln ihn zunächst wegen eines Zwölffingerdarm-Geschwürd, doch sein Zustand bessert sich nicht.

 

Montag, 20. April 1970

Tommy Butler gestorben - Biggs schreibt aus Australien für die "Sun"

Nur zwei Monate nach Jack Mills stirbt Detective Chief Superintendent Tommy Butler im Alter von erst 57 Jahren. Nach seiner Zwangspensionierung 15 Monate zuvor hatte Butler, der als Junggeselle bei seiner Mutter lebte, offenbar seinen Lebensinhalt verloren. Seine selbst gestellte Aufgabe, alle Posträuber hinter Gitter zu bringen, bleibt unvollendet, da Biggs noch auf freiem Fuß ist. Ironischerweise erscheint am gleichen Tag ein Artikel von eben diesem Ronnie Biggs in der Boulevardzeitung "Sun". Biggs hat ihn offenbar in seinem Versteck in Melbourne geschrieben.

 

25. Juni 1970

Bill Boal stirbt an Gehirntumor

Zehn Tage nach einer Operation, bei der ihm ein bösartiger Hirntumor teilweise entfernt wurde, stirbt Bill Boal im neurologischen Krankenhaus Maida Vale. Seine Frau Rene hatte in den vergangenen Monaten immer wieder vergeblich versucht, über Petitionen und die Medien seine vorzeitige Haftentlassung zu erreichen. Erst wenige Tage vor seinem Tod wird ihr die Erlaubnis gegeben, ihren im Koma liegenden, sterbenden Mann mit nach Hause zu nehmen. Da ihr Haus jedoch nicht einmal ein Badezimmer besitzt, entscheidet sie sich, ihn im Krankenhaus zu lassen, wo er am 25. Juni 1970 stirbt.

 

1971

 

April 1971

Roger Cordrey vorzeitig aus der Haft entlassen

Als erster Posträuber wird Roger Cordrey nach sechseinhalb Jahren aus der Haft entlassen, etwas weniger als der Hälfte seiner vorgesehenen Strafe. Da er der einzige geständige Angeklagte in Aylesbury war, ist seine frühe Entlassung folgerichtig. Cordrey arbeitet zunächst zur Befriedigung der Bewährungshelfer im Blumengeschäft seiner Schwester, wendet sich dann offenbar jedoch wieder „dubioseren“ Geschäften zu.

 

1972

 

Donnerstag, 6. Januar 1972

David Whitby überraschend verstorben

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit stirbt David Whitby, der "Heizer" des überfallenen Postzuges, im Alter von erst 34 Jahren. Whitby, der Junggeselle war und bei seiner Mutter in Crewe lebte, bricht kurz nach der Rückkehr vom Schichtdienst plötzlich zusammen und stirbt.

 

1973

 

November/Dezember 1973

Ronald Biggs spricht von Rückkehr nach England

Gegenüber einem Kontaktmann namens Benckendorff spricht Biggs von der Möglichkeit, bei einem entsprechenden "Deal" mit der Justiz nach England zurückzukehren. Benckendorff fliegt im Dezember nach London und nimmt Kontakt mit der Presse (Sunday Times) auf.

 

1974

 

 

1975

 

April 1975

Buster Edwards und Jimmy White vorzeitig aus der Haft entlassen

Nach Roger Cordrey hat es vier Jahre gedauert, bis wieder ein Posträuber aus der Haft freikommt. Ausgerechnet die beiden lange flüchtigen White und Edwards sind die nächsten. Sie werden beide in der gleichen Woche freigelassen. White, inzwischen 55, zieht wieder mit seiner Frau Sheree und seinem nun 12-jährigen Sohn Stephen zusammen. Er nimmt einen Job als Dachdecker an der Südküste an, genau wie schon nach dem zweiten Weltkrieg. Auch Buster Edwards, der zu seiner Frau June und der nun 15-jährigen Tochter Nicky zurückkehrt, greift auf eine frühere Beschäftigung zurück und wird Blumenhändler an der Waterloo Station.

 

August 1975

Buster Edwards beim Ladendiebstahl erwischt

Edwards gab vor Gericht zu, im Londoner Kaufhaus Harrods Waren für 65 Pfund und 65 Pence gestohlen zu haben. Im Oktober wird sein Einspruch gegen die verhängte 6-monatige Haftstrafe vor dem Kinightsbridge Crown Court zurückgewiesen. Edwards hat in sofern Glück, als seine vorzeitige Entlassung aus der Haft für den Postraub nicht widerrufen wird.

 

ohne Datum, 1975 

Roy James freigelassen

Nach fast 11 Jahren Haft wird Roy John James aus dem Gefängnis in Long Lartin (Worcestershire) entlassen. Schnell findet er über Freunde aus seiner kurzen, aber erfolgreichen Rennsportkarriere zum Motorsport zurück. Obwohl er mit 36 Jahren für einen Rennfahrer nicht mehr der jüngste ist, stehen Sponsoren bereit, ihn in der „Formel 5000“ oder „Formula Atlantic“ wieder an der Start zu bringen.

  

1976

 

5. April 1976

Jim Hussey wird Wirt

"Big“ Jim Hussey startet seinen Dienst als Geschäftsführer eines Restaurants in Soho.

 

6. April 1976

Zehn Posträuber verkaufen ihre Geschichte – an eine GmbH

Roy James, Jimmy White, Jim Hussey, Thomas Whisbey, Gordon Goody, Roger Cordrey und Buster Edwards gründen eine „Limited“-Company und verkaufen ihre Version der Geschichte an einen Agenten, der die Geschichte zu Geld machen soll. Als „stille Teilhaber“ sind auch die drei noch im Gefängnis befindlichen Robert Welch, Bruce Reynolds und Charlie Wilson mit von der Partie. Die Nachricht führt sofort zu Protesten von Abgeordneten, die empört darüber sind, dass die Posträuber durch Publicity Profit aus ihrem Verbrechen ziehen wollen.

 

ohne Datum, 1976

Roy James bei Rennunfall verletzt

Bei einem Unfall mit 210 km/h auf der Grand-Prix-Rennstrecke in Silverstone wird Roy James am Bein verletzt, bleibt jedoch optimistisch, dass er in der Formel-2-Weltmeisterschaft mitfahren wird. „Ich habe 12 Jahre gewartet, um wieder Rennen zu fahren, und nichts wird mich davon abhalten, und sicher keine Verletzung wie diese“.

 
 

1977

 
 15. April 1977
 Ronnie Biggs besucht Britisches Kriegsschiff im Hafen von Rio

Aufregung im Blätterwald: Englische Zeitungen berichten, Ronnie Biggs sei in Rio an Bord der Fregatte "HMS Danae" gegangen und dort von den Soldaten der Royal Navy "wie ein Held" gefeiert worden. In einer Stellungnahme des Britischen Kriegsministeriums heißt es dazu, das Schiff sei vom 14.-18. April in Rio vor Anker gewesen und einige Matrosen seien beim Landgang von Ronnie Biggs zum Abendessen eingeladen worden. Die Soldaten - allesamt "Junior Rankings" - hätten mit einer Einladung an Bord geantwortet. Biggs habe dieser tatsächlich Folge geleistet, sei aber nur für etwa 25 Minuten an Bord gewesen. Dann hätten höhere Dienstgrade, die den Besucher erkannten, ihn gebeten, das Schiff zu verlassen. Es habe keinegesetzliche Handhabe gegeben, Mr. Biggs festzunehmen. Mr. Biggs sei untersagt worden, künftig britische Kriegsschiffe zu betreten.

 

1978

 

 Das Buch der Posträuber erscheint

Mit viel Marketing-Getöse veröffentlicht der Verlag W.H. Allen die Erzählung der Posträuber über ihre Tat. Piers Paul Read hat die Täter interviewt und die Geschichte zusammengeschrieben. Das Buch klettert in kurzer Zeit bis auf Platz 2 der Bestseller-Liste, bleibt jedoch umstritten. Für viele ist es schwer erträglich, dass die Posträuber nach 15 Jahren wieder Geld mit ihrer Tat verdienen sollen. Zudem ist die abenteuerliche "Anreicherung" mit der "Nazi-Connection" ein bisschen zu starker Tobak.

 

Die Sex Pistols nehmen eine LP mit Ronnie Biggs auf

Im fernen Rio erwirbt sich Biggs den Status eines Popstars: Gemeinsam mit den "Sex Pistols" nimmt er eine Single "No one is innocent" auf und lässt sich am Strand mit den "Pistols" Paul Cook und Steve Jones ablichten. Der erste Titlel "Cosh the Driver" wird vom Plattenverlag CBS abgelehnt

 

Mai 1978

Jim Hussey aus Deutschland ausgewiesen

Bei einer Autogrammstunde in Stuttgart gemeinsam mit Buster Edwards wird Jim Hussey von der Polizei festgenommen und nach England abgeschoben. Wegen seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen Taschendiebstahls vom Oktoberfest 1962 hat er kein Aufenthaltsrecht in Deutschland. Buster Edwards dagegen darf bleiben. 

 

6. Juni 1978

Bruce Reynolds aus dem Gefängnis entlassen

Nach 10 Jahren Haft ist Bruce Reynolds wieder ein freier Mann. Zeitungsbilder zeigen ihn mit grauen Haaren und sehr dünn geworden. Doch schon regt sich Unmut im Blätterwald, angeblich soll Reynolds für seine Mitabeit an dem Buch von Piers Paul Read "The Train Robbers" 16.000 Dollar kassiert haben. Nun sitzt nur noch Charlie Wilson im Gefängnis.

 

Herbst 1978

Horst Tappert trifft die Posträuber an der Bridego Brücke

12 Jahre nach den Dreharbeiten zu den "Gentlemen" in Deutschland trifft Schauspieler Horst Tappert die Originale zum Fototermin an der Bridegobrücke. Hussey, Reynolds und Edwards werden zusammen mit dem glänzend aufgelegten Tappert für Zeitungen fotografiert. Tappert freundet sich mit Reynolds an, den er im Film darstellte und dem er in gewissem Sinne seine Karriere verdankt. Reynolds findet es besonders putzig, dass Tappert danach ausgerechnet TV-Kommissar wurde. 

 

19. Dezember

Charlie Wilson aus dem Gefängnis entlassen

Als (vorläufig) letzter Posträuber wird Charlie Wilson im Dezember aus dem Gefängnis Pentonville entlassen.

 

1979

 

September 1979

Brian Field stirbt bei Autounfall

Bei einem Autounfall auf der A4 kommt Brian Field ums Leben, der Rechtsanwalt, der die Leatherslade Farm für die Gang ankaufte. Mit ihm wird auch seine zweite Frau Sian (26) getötet. Field hatte sichbei seiner Entlassung aus dem Gefängnis in Charbren umbenannt. Field und seine Frau fuhren in ihrem Porsche, als ein Fahrzeug von der Gegenfahrbahn die Leitplanke durchbrach und mit ihnen kollidierte. Im anderen Fahrzeug saßen Angehörige eines Promi-Friseurs, drei von Ihnen kamen ebenfalls um. Angeblich erfährt Fields „neue“ Familie erst nach seinem Tod von seiner Vergangenheit als Posträuber.

 

1981

 

16. März 1981

Kopfgeldjäger entführen Ronnie Biggs aus Brasilien nach Barbados  - vergeblich...

Eine Gruppe britischer Abenteuerer und Kopfgeldjäger unter Führung des ehemaligen Soldaten John Miller entführt Biggs per Flugzeug aus Rio nach Belem und von dort weiter mit einer Yacht nach Barbados. Tagelang umkreist die 18-m-Yacht "Nowcani II" mit dem gekidnappten Biggs die Insel, bleibt jedoch in internationalen Gewässern. Als die Yacht einen Motorschaden hat, kommt die örtliche Polizei an Bord und nimmt Biggs gefangen. 

Zunächst sieht es schlecht für den Posträuber aus, dem die Auslieferung nach Großbritannien droht. Barbados ist Mitglied des Commonwealth und hat ein Auslieferungsabkommen mit Großbritannien, nicht jedoch mit Brasilien. Doch Biggs kämpft mit aller Kraft um seine Rücküberstellung nach Rio, und erneut hilft ihm dabei sein erst siebenjähriger Sohn Michael. Denn Ronnie Biggs war Alleinerziehender, seit die Kindsmutter Raimunda fünf Jahre zuvor Vater und Kind für eine "Karriere" als Stripperin in Europa verlassen hatte. Die Sympathien der braslilianischen Öffentlichkeit sind eindeutig auf seiner Seite. Besonders, als der kleine Junge vor laufenden TV-Kameras sagt: "Die Queen will meinen Papa, aber ich brauche ihn mehr!". Die brasilianischen Behörden verlangen seine Rückkehr nach Rio, und nach wochenlangem juristischem Tauziehen feiert Biggs ein glückliches Wiedersehen mit seinem Sohn. 

Damit ist zum zweiten Mal nach 1979 der Versuch der Gruppe um John Miller gescheitert, Biggs zu entführen und ihn ins Vereinigte Königreich zu bringen.

1984

1984

Bruce Reynolds wegen Drogenbesitz verhaftet und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Das Amtsgericht (Town Court) in Snaresbrook, East London, verurteilt ihn wegen Handels mit Amphetaminen, gemeinhin als "Speed" bekannt, zu einer Haftstrafe von 3 Jahren. Reynolds habe die Drogen im Wert von rund 5.000 Pfund in einem Paket an einen Mann in East Ham übergeben. Reynolds Aussage, er habe das Paket nicht übergeben, sondern die Annahme verweigert und es zurückgegeben, schenkt das Gericht keinen Glauben. Bei einer Hausdurchsuchung hatte die Polizei zudem bei Reynolds 6,6 Gramm Cannabis gefunden. Bereits im März 1985 wird Reynolds wieder entlassen.

2013


28. Februar 2013: Bruce Reynolds ist tot

Am 28. Februar 2013 ist der Anführer der Posträuber, Bruce Reynolds, im Alter von 81 Jahren in London gestorben. Sein Sohn Nick berichtete, er habe sich in den letzten Tagen nicht wohl gefühlt und sei im Schlaf gestorben. Bei der Beerdigung ist unter anderem Ronnie Biggss (im Rollstuhl) anwesend, eine Nachricht von Gordon Goody aus Spanien wird verlesen.


April 2013: John Daly ist tot

John "Paddy" Daly, der einzige, der im Prozess von Aylesbury freigesprochen wurde, stirbt Anfang April, nur sechs Wochen nach seinem Schwager Bruce Reynolds, der ihn stets als ein "Glückskind" betrachtet hatte. Nach dem Freispruch war Daly aus London weggezogen, fand aber wegen seiner Bekanntheit als Posträuber nur schwer Arbeit. Er ging 1973 mit einem Werkzeuggeschäft pleite und arbeitete schließlich bis zu seiner Pensionierung 30 Jahre lang als städtischer Angestellter in einem kleinen Ort in Cornwall, zunächst bei der Müllabfuhr und dann bei der Straßenreinigung. Auch nach seiner Pensionierung arbeitete Daly noch bis zum Alter von 70 Jahren für den örtlichen Tesco-Supermarkt. Für die Einheimischen, die nichts von seiner kriminellen Vergangenheit wussten, war der höfliche Mann immer nur "John the Gent". Nach seinem Tod berichtete seine Witwe Barbara in einem Zeitungsinterview, Johns Anteil an der Beute sei ihm bereits während der Untersuchungshaft von denjenigen, die darauf aufpassen sollten, gestohlen worden. Er sei zunächst am Boden zerstört gewesen, doch nachdem die anderen Posträuber zu 30 Jahren Haft verurteilt worden waren, sei ihm klar geworden, welches Glück er hatte. Er habe danach der Kriminalität für immer abgeschworen. Daly, der zu seinen Zeiten als Krimineller mit Jacht und schicken Apartments auf sehr großem Fuß gelebt hatte, lebte nun mit seiner Frau und den drei Kindern ein einfaches, normales Familienleben in äußerst bescheidenen finanziellen Verhältnissen. Er erwarb sich aber die Zuneigung der Menschen im Ort. Daly starb an einer Nerven-Erkrankung (Multisystematropie, MSA). Seine Frau bezeichnete den Postraub gegenüber der Zeitung "Sun" als Fluch, der viele Leben und Familien zerstört habe. Die Flucht vor der Polizei sei für sie ein traumatisierendes Erlebnis gewesen, dass sie nie ganz verwunden habe. Sie sei sehr viel stolzer auf "John den Straßenkehrer" als auf "John den Posträuber".


18. Dezember 2013: Ronnie Biggs ist tot

Im Alter von 84 Jahren stirbt Ronald Arthur Biggs in einem Pflegeheim in Barnet (North London). Der Sarg wird auf dem Weg zum Krematorium mit den Flaggen Großbritanniens, Brasiliens und einem Schal des Fußballclubs Charlton Athletic bedeckt, die Hells Angels geben mit einer Ehren-Eskorte letztes Geleit. Biggs hatte in den letzten Jahren mehrere Schlaganfälle erlitten, war seit längerem an den Rollstuhl gebunden und nicht mehr in der Lage zu sprechen.

2014


28. September 2014: Gordon Goody enthüllt die Identität des "Ulsterman"


Auch 51 Jahre nach der Tat ist der Postraub noch für Schlagzeilen und Enthüllungen gut: Am 28. September 2014 erscheint in der englischen Tageszeitung "The Observer" ein Bericht, wonach Gordon Goody, einer der zwei noch lebenden Posträuber, die Identität des Informanten enthüllt habe, den alle Welt nur als "Ulsterman" kannte. Es handelt sich demnach um den in Belfast geborenen Postmitarbeiter Patrick McKenna aus London-Islington, der 1992 verstarb und lediglich 3.000 Pfund hinterließ. Die Familie McKennas reagierte geschockt und ungläubig. McKenna war ein stiller und überkorrekter, zurückhaltender Mensch. Wohin der Anteil an der Beute gegangen ist, den McKenna von Goody erhalten haben soll, ist allen schleierhaft. Dennoch erscheint die Information aus dem Munde Goodys glaubwürdig: Er ist allgemein als der Kontaktmann zum "Ulsterman" bekannt. Zudem hat sich Goody, unter dem Eindruck des Todes von Bruce Reynolds und Ronnie Biggs sowie angesichts nachlassender eigener Gesundheit entschlossen, als einer der letzten Überlebenden seine Version der Dinge in einem Buch niederzuschreiben.

2016


29. Januar 2016: Gordon Goody ist tot

Am 29. Januar 2016 stirbt Gordon Goody im Alter von 86 Jahren im Spanischen Mojacar. Ein Sprecher des Ortes lobte Goodys freundliches Auftreten und seinen langjährigen Einsatz für die Straßenhunde des Ortes. Goody hatte als einiger von nur wenigen Posträubern während seiner langen Haftzeit offenbar einen zuverlässigen Verwalter seines Anteils der Beute und war nach seiner Freilassung nach Spanien gezogen, wo er in der Küstenstadt in der Provinz Almeria eine Bar betrieben hatte. In den letzten Jahren vor seinem Tod hatte Goody wieder Interviews gegeben und auch einige Details preisgegeben, etwa die Identität des "Ulsterman".


30. Dezember 2016: Thomas Wisbey ist tot

Eine Woche nach einem Schlaganfall stirbt "Tommy" Wisbey im Alter von 86 in seinem Heim in Eltham (Südost-London). Seine Tat hatte er nie bedauert: "Das einzige, was ich bedauere, ist, dass ich geschnappt wurde!" sagte er einmal. 1989 war der glühende Fan von Arsenal London wegen Kokain-Handels erneut zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden, danach führte er einen Blumenladen in London. Damit ist nun Robert Welch der letzte noch lebende Posträuber.

Fortsetzung folgt...