Die Posträuber


Nach heutigem Wissen waren am Postraub etwa 20 Personen beteiligt. Der eigentliche Überfall zwischen Sears Crossing und der Bridego Bridge wurde von 15 Männern verübt, als 16. war ein eigens angeworbener älterer Lokführer dabei, der aber nicht erfolgreich in Aktion treten konnte und somit eher "Zaungast" als Täter blieb. Nicht vor Ort, aber im Hintergrund waren waren mindestens vier weitere Männer beteiligt, als Tippgeber oder Strohmänner beim Ankauf der Leatherslade Farm. Diese 20 Männer stammten im wesentlichen aus zwei Londoner Banden und ihrem Umfeld.

Kriminelle Banden im London der 60er Jahre bezeichneten sich selbst gerne als "Firm", also als Firma, als Unternehmen. Am Postraub waren zwei solche "Firmen" beteiligt, sowie einige weitere Personen aus dem Umfeld dieser beiden Gruppen. Eine Zusammenarbeit in dieser Größenordnung war ungewöhnlich, da sich die einzelnen Firmen nicht unebdingt trauten und mit steigender Zahl der Beteiligten das Risiko stieg, entdeckt oder verpfiffen zu werden. Zudem wurden natürlich die einzelnen Anteile der Beute immer kleiner. Beim Postraub aber ging es nicht anders: Die einen hatten den Tipp, die anderen das Know-How.

Die erste "Firma" war die "South West Gang" rund um Buster Edwards, Bruce Reynolds, dessen Schwager John ("Paddy") Daly, Charlie Wilson, Roy James und dem bis heute unbekannten, "Bill Jennings" oder "Flossy" genannten Mann. Sie hatten 1962 den Überfall auf die BOAC-Lohnkasse auf dem Londoner Flughafen verübt. Schon damals war Gordon Goody mit von der Partie (die "kleine Besetzung" vom Flughafen-Überfall komplettierten damals zwei Leute, die beim Postraub nicht dabei waren: Mickey Ball und Reynolds Freund Terry Hogan, in Reynolds Autobiographie "Harry Booth" genannt). Zum Umkreis der Firma gehörten auch die späteren Posträuber James Hussey und Jimmy White und sein Freund "Big" Alf Thomas, als dessen wahre Identität heute Harry Smith gilt. (Zum Teil wird diese erste Firma in der Litaratur auch in zwei Banden aufgeteilt, die "South West Gang" unter Führung von Reynolds und die "South East Gang" unter Leitung von Buster Edwards.)

Die zweite "Firma" waren die "South Coast Raiders". Der Name enstand, weil sie mehrfach Überfälle auf Züge verübt hatten, die zwischen London und der englischen Südküste verkehrten. Eines ihrer Ziele waren dabei Transporte der Gelder aus Wettbüros. So hatten sie einiges an Know-How zum Thema Züge gesammelt, das der Southwest Gang fehlte. Erstmals war es ihnen auch gelungen, Züge durch manipulierte Haltesignale anzuhalten. Roger Cordrey war hier der "Signalmann". Neben Cordrey bestand die Gang aus Robert Welch, Thomas Wisbey und einem weiteren, "Frank Munroe" genannten  Mann, bei dem es sich vermutlich um Denny Pembroke handelte. Robert Welch war als einziger im Umfeld der Überfälle aktenkundig geworden, da er versucht hatte, Bekleidung für Bahnarbeiter zu erwerben. Ihm konnte aber letztlich nichts nachgeweisen werden. Der Deutsche Autor Henry Kolarz nannte die Gang "Die Fulham Boys".

Erst spät, im Juni 1963, kam Ronnie Biggs zu diesem großen Kreis hinzu, mit dem sich Bruce Reynolds schon 1949 bei einem gemeinsamen Gefängnisaufenthalt angefreundet hatte. Trotz ihrer langen Freundschaft hatten beide nie zusammen "gearbeitet". Biggs war eher Gelegenheitstäter und hatte in der Unterwelt noch keinen Ruf. Das sorgte durchaus für Unruhe, wie Buster Edwards später im TV-Interview der BBC erzählte. Biggs Funktion bestand darin, dass er den pensionierten Lokführer mitbrachte, der keinerlei kriminelle Erfahrung hatte.



Die Anführer:


- Rufname unterstrichen, Alter zum Tatzeitpunkt -


Bruce Richard REYNOLDS (31)
* London 7.9.1931, 6'1'' (1,85m)
+ London 28.2.2013
Auto- und Antiquitätenhändler aus London. Sohn eines Gewerkschaftlers und einer Krankenschwester, verheiratet mit Frances Reynolds (+30.12.2010), die sich später Angela nannte. Ein Sohn (Nick). Anführer der "Southwest Gang". Nach eigener Darstellung das "Superhirn" der Bande, leitete den Überfall. Entging der Festnahme über 5 Jahre lang durch Flucht über Frankreich und Mexiko, Festnahme erst am 8. November 1968 in einer gemieteten Villa in Torquay, England. Am 14. Januar 1969 zu 25 Jahren Haft verurteilt. Am 6. Juni 1978 wieder freigekommen. Im Oktober 1984 wegen Handel mit Amphetaminen zu drei Jahren Haft verurteilt, eine Tat die er bis zu seinem Lebensende bestritt. Im März 1985 vorzeitig entlassen. Seitdem Buchautor, Filmberater ("Buster"), Kinokritiker, "Berühmtheit". Hielt u.a. 1999 Vortrag vor Schülern des Elitegymnasiums Eton. Sein Buch "Autobiography of a Thief" erschien 1995, 2000 in Neuauflage. Auch gelegentlich TV-Gast in Deutschland, zuletzt Anfang 2007 bei "Galileo Mystery".


Douglas Gordon GOODY (34)
* 11.3.1931
+ 29.1.2016
Friseur aus Commondale, Putney. Großer, blonder Typ mit starker Ausstrahlung. Legte stets Wert auf perfektes Äußeres. Verlobt mit Patricia Cooper. Blieb jedoch Junggeselle und lebte bis zur Tat bei seiner Mutter. Galt als einer der Köpfe der Bande. In Aylesbury 1964 zu 30 Jahren Haft verurteilt. Arbeitete nach seiner Entlassung (22.12.1975) zunächst in einem Möbelgeschäft, dann im Obst- und Gemüsehandel, eröffnete später eine Bar an der Costa del Sol. Von allen Verurteilten dürfte Goody sein Geld am klügsten angelegt haben (Immobilien und Diamanten).



Ronald "Buster" EDWARDS (32),  5'6'' (1,68m)
* London 27.1.1931
+ London 29.11.1994
Clubbesitzer und Blumenhändler. Ehemaliger Boxer mit großem Freundeskreis. Verheiratet mit June, eine Tochter (Nicolette). Entging der Fahndung lange, lebte dabei eine Weile mit Reynolds zusammen in Mexiko. Stellte sich 1966 aus Heimweh den englischen Behörden und wurde zu 15 Jahren verurteilt. Betrieb nach seiner Entlassung im April 1975 einen Blumenladen am Waterloo-Bahnhof in London. Bekannte sich - fälschlich - für das Buch von Piers Paul Read 1978 dazu, den Lokführer geschlagen zu haben. Edwards ist vermutlich auch Erfinder der in Reads Buch behaupteten Co-Finanzierung des Postraubs durch die angebliche "Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen" ODESSA unter Otto Skorzeny. Tatsächlich gab es nur NACH dem Postraub einen geschäftlichen Kontakt zwischen Edwards und Skorzeny; der Posträuber legte offenbar bei Skorzenys Investment-Firma in Spanien Geld an. Edwards wurde 1988 durch den Film "Buster" mit Phil Collins in seiner Rolle bekannt. 1994 wurde Buster erhängt in seiner verschlossenen Garage aufgefunden. Als Ursache werden finanzielle Sorgen vermutet.


Charles Frederick WILSON (31)
*30.06.1932
+ 23.4.1990 Spanien
Gemüsehändler aus Clapham. Verheiratet mit Patricia, drei Töchter. In Aylesbury 1964 zu 30 Jahren Haft verurteilt. Sagte während des Prozesses kaum ein Wort und erhielt in der Presse den Spitznamen "Der Schweiger", galt aber in der Gang als fröhlicher und unterhaltsamer Mann, der aber auch vor Härte nicht zurückschreckte. War sehr gut in der Unterwelt vernetzt. Sensationelle Flucht aus dem Winson Green Gefängnis in Birmingham am 16.8.1964. Lebte danach in der Nähe von Montreal (Kanada), wurde am 24.1.1968 festgenommen, die Fahnder kamen ihm durch einen Telefonanruf seiner Frau in England auf die Spur. Wurde am 18. Dezember 1978 als letzter der Posträuber (ausgenommen der noch flüchtige Biggs) aus der Haft entlassen. Im April 1984 steht er zusammen mit Roy James und vier anderen wegen Steuerbetrugs mit Goldmünzen vor Gericht, der Gesamtschaden lag bei 2,4 Millionen Pfund. Das Verfahren gegen ihn wird gegen Zahlung von 400.000 Pfund eingestellt. Zieht 1988 nach Spanien in eine Villa in Marbella an der Costa del Sol. Dort wird er am 24. April 1990 erschossen an seinem Swimming-Pool aufgefunden. Hinter der Tat wurde die Drogenmafia vermutet.



Die Mannschaft:



Ronald Arthur BIGGS (34)
* 8.8.1929
+ 18.12.2013
Handwerker, Anstreicher. Brachte den pensionierten Lokführer mit ins Team. In Aylesbury 1964 zu 30 Jahren Haft verurteilt.  Wurde durch seine spektakuläre Flucht aus dem Gefängnis Wandsworth am 8. Juli 1965 bekannt; weltberühmt wurde er dann durch seine jahrzehntelange Flucht, die ihn zunächst nach Australien und dann 1970 über Panama und Venezuela bis nach Brasilien führte, wo er am 11. März 1970 ankommt. Alle Versuche der englischen Behörden, ihn von Brasilien ausliefern zu lassen, scheitern immer wieder. Denn Biggs hat ein Kind (Michael, geb. 16.8.1974) mit der Brasilianerin Raimunda de Castro, was ihn nach brasilianischem Gesetz vor der Auslieferung bewahrt. Im April 1979 scheitert der Versuch dreier Männer, Biggs zu entführen, britische Journalisten, die von dem Vorhaben Wind bekommen haben, können ihn rechtzeitig warnen. Im März 1981 gelingt eine wilde und öffentlichkeistwirksame Entführung nach Barbados, wo er von den dortigen Behörden festgenommen wird. Einem Auslieferungsersuchen Großbritanniens wird zunächst stattgegeben, im Revisionsverfahren aber abgelehnt. Biggs kann im April 1981 wieder nach Rio zurückkehren. Er ist inzwischen eine Berühmtheit geworden, Prominente besuchen ihn, Musiker wie die Sex Pistols, The Police oder die Toten Hosen arbeiten mit ihm zusammen. 1997 scheitert eine offizielle Anfrage des britischen Außenministers Jack Straw an Brasilien, Biggs auszuweisen. Die Gerichte urteilen, der Fall sei verjährt und Biggs sei zudem in Brasilien nie straffällig geworden. Gegen Ende der 1990er Jahre lässt ihn seine Gesundheit im Stich, nach zwei Schlaganfällen im März 1998 und September 1999 kann Biggs nicht mehr sprechen. Kehrte nach einem über die "Sun" ausgehandelten Deal mit den britischen Behörden am 7. Mai 2001 in Begleitung von Bruce und Nick Reynolds nach England zurück. Er verbüßte ab da weiter seine Strafe in einem Gefängnishospital. Diverse Gnadengesuche wurden von den Justizministern und einmal auch von Premierminister Tony Blair persönlich abgelehnt. Heiratete 2002 im Gefängnis die brasilianische Mutter seines Sohnes Michael. Am 7. August 2009 (Stunden vor dem 46. Jahrestag des Postraubes) wurde er schließlich doch noch wegen seines schlechten Gesundheitszustandes begnadigt und aus dem Gefängnis entlassen.


Roger John CORDREY (41)
* 30.5.1921
+ 2011
Blumenhändler, Buchmacher. War der Signal-Fachmann der Bande. Ging den Fahndern als erster ins Netz, als er gemeinsam mit seinem Freund William Boal eine Garage bei einer Polizistenwitwe in Bournemouth anmieten wollte. In zwei Fahrzeugen der Verhafteten fanden sich insgesamt über 100.000 Pfund. Beim Prozess in Aylesbury 1964 war Cordrey als einziger geständig, wurde dennoch zu 20 Jahren Haft verurteilt; seine Haftstrafe wurde in der Berufung auf 14 Jahre reduziert. Freilassung im April 1971. Arbeitete zunächst im Blumenladen seiner Schwester, wandte sich danach wieder dubioseren Geschäften zu.


John Thomas "Paddy" DALY (31)
* 6.6.1931 New Ross (Irland)
+ 10.4.2013
Antiquitätenhändler. Schwager von Bruce Reynolds. Verheiratet mit Barbara. Wohnte luxuriös am Eaton Square. Tauchte nach dem Postraub unter, wurde aber am 3.12.1963 gefasst. Seine Fingerabdrücke waren auf einem Monopoly-Spiel in der Leatherslade-Farm, dies wurde vor Gericht jedoch nicht anerkannt und Daly am 12.2.1964 als einziger Posträuber vom Gericht freigesprochen. Ausgerechnet Thommy Butler besaß wohl weitere, klarere Beweise gegen Daly, behielt diese aber in seiner heimlichtuerischen Art zu lange für sich. So kamen sie nicht vor Gericht zum Einsatz. Ironie des Schicksals: Daly hatte vor dem Prozess sogar noch überlegt, sich "schuldig" zu bekennen. Seine Mitwirkung am Postraub wurde später von allen anderen Posträubern bestätigt, dies konnte nach englischem Gesetz aber nicht mehr gegen ihn verwendet werden. Daly begriff die unfassbare Verkettung glücklicher Umstände, die zu seinem Freispruch geführt hatten, als Wink des Schicksals und schwor nach seiner Freilassung jeglicher Kriminalität für immer ab. Er lebte ab da sehr zurückgezogen mit seiner Familie ein bescheidenes Leben als Straßenkehrer in Launceston in Cornwall, wo niemand seine Vergangenheit kannte und er als "John the Gent" sehr beliebt war. Aus Angst, doch nochmal juristisch belangt zu werden, trat er nie wieder öffentlich in Erscheinung.


James HUSSEY (30) * 8.4.1933
+ 12.11.2012
Maler und Dekorateur. Gehörte zu den South Coast Raiders und war dort der Mann fürs Grobe. In Aylesbury 1964 zu 30 Jahren Haft verurteilt. Am 17.11.1975 entlassen. Heiratete zu Weihnachten desselben Jahres in Epsom und wurde Gebrauchtwagenhändler. Im August 1989 zusammen mit Tommy Wisbey wegen Drogenhandels zu einer Gefängnisstrafe von sieben Jahren verurteilt, Wisbey erhält 10 Jahre. Starb im St. Christopher's Hospiz in Sydenham. Die "Sun" berichtet über ein angebliches Geständnis Husseys auf dem Totenbett, er habe den Lockführer geschlagen. Das wird umgehend durch Bruce Reynolds Sohn Nick dementiert.


Roy John JAMES (28), 5'4'' (1,62 m)
* 30.8.1935
+ 20. oder 21.8.1997
Rennfahrer, Kunstschmied. Erhielt fälschlich in den Medien den Spitznamen "The Weasel". Gehörte zum engsten Freundeskreis um Bruce Reynolds und war an zahlreichen gemeinsamen Aktionen beteiligt, auch an der französischen Riviera. Besonders seine Qualitäten als Fluchtfahrer waren gefragt, etwa beim Überfall auf die BOAC Lohnkasse 1962. Im Rennsport war er bis zum Postraub sehr erfolgreich, gewann zahlreiche Rennen und schlug dabei u.a. mehrfach den späteren Formel-1-Star Jackie Stewart. Roy James galt als "kommender Mann" für die Formel 1. Die Verurteilung zu 30 Jahren in Aylesbury 1964 setzte dem ein Ende. Nach seiner Entlassung im August 1975 versuchte Roy James, die Karriere als Rennfahrer wieder aufzunehmen. Trotz einiger Erfolge (Sieg in der Ford Formel 1600 in Brands Hatch) gelang ihm das Comeback nicht mehr dauerhaft. Er produzierte auch einige Totalschäden. Schließlich nahm er seinen ursprünglichen Beruf als Kunstschmied wieder auf, blieb jedoch verbittert. Bernie Ecclestone hatte Kontakt mit ihm, sah aber keine Chance mehr, ihn in der Formel 1 unterzubringen. Ecclestone bzw. James' Freund Rodney Banting gab bei ihm Trophaen für Nachwuchsfahrer in Auftrag. Die von James geschaffene "John Nicol Trophy" wird bis heute jährlich verliehen. Roy James heiratete 1984 die 30 Jahre jüngere Anthea Wadlow, mit der er eine Tochter hatte. Scheidung 1990. 1993 wurde er wegen Schüssen auf seinen Schwiegervater und Angriffs auf seine ex-Frau zu sechs Jahren Haft verurteilt. Der herzkranke James starb kurz nach seiner vorzeitigen Entlassung im Brompton Hospital nach einem Herzinfarkt. Eine vorherige Herzoperation war erfolglos geblieben.


Robert Alfred WELCH (35)
* 12.3.1929
+ unbekannt
Clubbesitzer und Inhaber eines Wettbüros. Mitglied der South Coast Raiders. In Aylesbury 1964 zu 30 Jahren Haft verurteilt. Freilassung im Frühjahr 1976. Kehrte zu seiner Frau zurück und lebte ein normales Familienleben. Wurde aufgrund von Knieproblemen trotz mehrerer Operationen zum Behinderten. Sein Anteil der Beute wurde von seinem Vertrauensmann während der Haft größtenteils verloren. Ob Welch noch lebt, ist Stand 2023 unbekannt.


James Edward WHITE (43)
* London (21.2.1920), 5'10''
+ November/Dezember 2012
Café- und Garagenbesitzer. Im 2. Weltkrieg Fallschirmspringer. Er hatte seinen Anteil der Beute z.T. in der Seitenwand seines Wohnwagens versteckt. Der Campingplatz lag unglücklicherweise nahe der Lichtung, auf der die Sporttasche der Fields mit Geld gefunden worden war. White blieb drei Jahre lang mit seiner Frau Sheree und seinem Sohn auf der Flucht. Er wurde am 12.4.1966 verhaftet, zu 18 Jahren Haft verurteilt; saß bis April 1975. Nahm nach der Freilassung seinen alten Beruf als Maler und Dekorateur (andere Quellen: Dachdecker) wieder auf. Beherrschte meisterhaft die Kunst, unauffällig zu sein. Für das Fahndungsfoto (oben) verzog er absichtlich die Gesichtszüge. Sein letzter Auftritt in einer TV-Doku fand um etwa 2005 herum statt. Zuletzt lebte er unter dem Namen James Patten, einem älteren Alias, das er schon auf der Flucht 1963 benutzt hatte.


Thomas William WISBEY (33)
* 27.4.1930
+ 30.12.2016
Buchmacher. Bindeglied zwischen den beiden Gangs, da er sowohl Cordrey als auch Reynolds gut kannte. Er war auch familiär mit berüchtigten Größen der Unterwelt wie Freddie Foreman und Billy Hill verbunden. Obwohl beim Postraub kein Anführer, war er eine der farbigsten Persönlichkeiten, hatte Entertainment-Qualitäten und eine gute Singstimme. In Aylesbury 1964 zu 30 Jahren Haft verurteilt. Im Februar/März 1976 freigelassen. Dürfte als einziger neben Goody einen nennenswerten Teil seiner Beute über die Haftzeit gebracht haben. Kehrte zu seiner Frau und seiner inzwischen 19-jährigen Tochter zurück. Erhielt im März 1982 eine Geldstrafe von 500 Pfund wegen Scheckbetrugs (die gestohlenen Schecks stammten aus einem Postzug), im August 1989 wurde er wegen Drogenhandels zu einer Gefängnisstrafe von 10 Jahren verurteilt, zusammen mit Jim Hussey, der 7 Jahre Haft erhält.



Der Lokführer:


Aus den Zeugenaussagen von Mills und Whitby wusste die Polizei, dass die Gang offenbar einen eigenen Lokführer mitgebracht hatte, der es aber nicht schaffte, die Lok in Bewegung zu setzen. Polizei und Britsih Rail kamen nie auf seine Spur, seine Identität ist bis heute ungeklärt, und er ist bis heute nur unter seinen im Laufe der Zeit von den Posträubern in ihren Erzählungen vergebenen Spitznamen bekannt: "Fred", "Pop", "Peter", "Stan Agate". Ob er bereits pensioniert war, ist heute umstritten, da er sich nach einigen Quellen extra Urlaub für den Postraub genommen hatte. Einig sind sich alle darin, ihn als völlig naiven und schon leicht verwirrten älteren Herrn zu beschrieben, der sich arglos kurz vor dem Überfall noch ein Pfeifchen angezündet hatte. Ronnie Biggs hatte bei ihm handwerkliche Arbeiten ausgeführt und ihn dann für angeblich 20.000 Pfund vom Mitmachen überzeugt. Es gelang ihm jedoch nicht, die Lok in Gang zu setzen, so dass der verletzte Lokführer Jack Mills dazu gezwungen werden musste. Im weiteren Verlauf des Postraubes musste "Peter" von Ronnie Biggs beruhigt und betreut werden, da ihm die Nerven versagten. 14 Jahre später wurde er von Autor Piers Paul Read auf eine Beschreibung von Biggs hin in einer Kleinstadt südlich London aufgespürt. Er war inzwischen an Altersdemenz erkrankt und dürfte heute längst verstorben sein.



Die drei Fragezeichen ? ? ?


Im April 1970 gelangten erstmals Informationen an die Öffentlichkeit, dass neben dem Ersatz-Lokführer noch drei weitere unbekannte Männer am Postraub beteiligt waren, aber nie vor Gericht gestellt wurden. So jedenfalls behauptete es der flüchtige Ronnie Biggs in der Boulevardzeitung "The Sun". Die Polizei hatte diese Tatverdächtigen zwar ermittelt, ihre Namen aber nicht veröffentlicht, da es nicht gelungen war, Beweise für ihre Täterschaft zutage zu fördern. Dem Gesetz entsprechend blieben die Akten und damit die Namen auch nach den Behauptungen von Biggs unter Verschluss. So blieb es zur Identität der drei Unbekannten 40 Jahre lang bei nebulösen Andeutungen und diversen Spitznamen, die sich Biggs und später auch die anderen Posträuber für die drei ausgedacht hatten. Erst seit Mitte der 2010er kam Bewegung in die Sache, und inzwischen sind zwei dieser drei Männer namentlich bekannt:


Dennis "Danny" PEMBROKE (27)
* 1936
+ 2015
Ehemaliger Soldat, verheiratet, drei Kinder. Gehörte zum Umfeld der South Coast Raiders und stand bereits auf der Liste, die Scotland Yard schon am 16. August 1963 vorlag. Doch Pembroke war während der Tat und auf der Farm extrem vorsichtig gewesen, hatte seine Handschuhe auch auf der Farm konsequent anbehalten und keinerlei Spuren hinterlassen. Thommy Butler konnte ihm trotz Vorladung (6. September 1963), intensiver Befragung und langer Ermittlungen nichts nachweisen. Sogar ein forensischer Haarvergleich blieb erfolglos. Butler blieb überzeugt, dass Pembroke beim Postraub dabei war. Doch es gelang ihm nicht, eine Verbindung zur Tat nachzuweisen. Es könnte (ähnlich wie bei John Daly) am Ende so gewesen sein, dass Butler seine Indizien aus Heimlichtuerei einfach zu lange für sich behielt. Pembrokes Personalakte in der Armee zeichnete das Bild eines außergewöhnlichen Mannes, der unter schwerem feindlichem Feuer Mut und Widerstandskraft bewiesen hatte. So war er während des blutigen Guerillakriegs in Malaysia 1950/51 zum Einsatz gekommen. Nach seiner Entlassung aus der Armee hatte er die erworbenen Fähigkeiten dann für seine kriminelle Karriere zu nutzen gewusst. Mit den South Coast Raiders war er offenbar mehrfach an Zugüberfällen beteiligt gewesen, ohne dass ihm je etwas nachgewiesen werden konnte. Auch nach dem Postraub blieb Pembrokes Weste weiß, er arbeitet als Buchmacher. Für "Robbery", die britsche Verfilmung des Postraubs 1967, soll er sogar als Berater gearbeitet haben. Erst nach dem Öffnen der Archive ab 2010 geriet er in den Blickpunkt der Postraub-Experten, und bald nach seinem Tod bestätigte sein gleichnamiger Sohn Danny die Teilnahme seines Vaters in einer Doku der BBC, die Zeitungen berichteten.

Henry Thomas "Harry" SMITH (32) , 6'1 1/2'' (1,87 m)
* 20.10.1930
+ 16.10.2008
Harry Smith galt bei der Polizei als Serientäter, er kam aus einer kinderreichen Familie und war der älteste von sechs Brüdern. Er hatte 1950 Shirley Young geheiratet, war aber von ihr gemeinsam mit ihren zwei gemeinsamen Töchtern verlassen worden, da sie nicht mit seinen kriminellen Geschäften einverstanden war. Er war ab 1959 mit Margaret Wade zusammen, die zwei Kinder mit in die Beziehung brachte. Beide hatten einen gemeinsamen Sohn. Kurz vor dem Postraub hatte Harry eine Fahrschule gekauft. Die Täterschaft von Harry Smith gilt als relativ gesichert, da seine Frau kurz vor der Tat äußerte, er sei ein paar Tage für einen "Big Job" außer Haus. sein eigener Vater war 1963 bereit, ihn zu belasten und auch vor Gericht gegen ihn auszusagen. Allerdings konnte er nur Indizien beitragen, weshalb es nie zu einer Anklage kam. Auffällg ist, dass Harry bald nach dem Postraub in den Besitz von sehr vielen Immobilien kam. Er wurde am 5. Mai 1964 gemeinsam mit seinem langjährigen Freund, dem Wettbüro-Besitzer Daniel Regan von Thommy Butler festgenommen und zwei Tage lang verhört. Doch weder Fingerabdrücke noch mehrere Gegenüberstellungen brachten die Polizei weiter. Bei Hausdurchsuchungen der Häuser von Smith und Regan wurden Dokumente gefunden, wonach die beiden in Portsmouth und Gosport insgesamt 32 Häuser, eine Kneipe und ein Hotel gekauft hatten. Doch die Polizei konnte auch damit weder Regan noch Smith beikommen. Regan war als Besitzer eines Wettbüros der ideale Strohmann, um das Geld anzulegen. Harry Smith's Akte bleibt noch bis 2036 unter Verschluss.



Der "unsichtbare Dritte"...

Noch nicht geklärt ist die Identität des dritten Mannes. Ihm scheint es als Einzigem gelungen zu sein, sich aus dem Gesichtsfeld der Ermittlungen weitgehend herauszuhalten. Die schon fast unheimliche Liste von Commander Hatherill bei Scotland Yard, auf der bereits früh der komplette Kreis der Posträuber präzise umrissen ist, und auf der nur Ronnie Biggs anfangs noch fehlte, enthält auch die Namen von Pembroke, Smith und Brian Field - aber keinen weiteren. 2022 erschien das Buch "No Case to Answer" von Andrew Cook, in dem Billy Ambrose (* London 21.9.1929) als möglicher Dritter Mann genannt und auch durch Indizien untermauert wurde. Ein weiterer Name, der gelegentlich auftaucht, ist Michael Collins. Auch er gehörte zum Umfeld von Reynolds. All das bleibt aber Spekulation.


Die Geschichte der drei unbekannten Täter verrät einiges über die Schwierigkeiten, rund um den Postraub zu gesicherten Informationen zu kommen. Fast sieben Jahre lang war die Öffentlichkeit davon ausgegangen, dass alle Täter ermittelt und angeklagt worden waren, die den Postraub vor Ort ausgeführt hatten. Umso größer war der Überraschungseffekt der Artikelserie von Biggs, die vom 20.-28 April 1970 in der "Sun" erschien. Biggs hatte im November 1969 in Australien ein 77 Seiten langes, handgeschriebenes Manuskript verfasst und an eine Australische Zeitung verkauft, die diese wiederum in Lizenz an die "Sun" weitergab (beide gehörten zum Konzern von Rupert Murdoch). Biggs erwähnte darin neben dem angeworbenen Lokführer, den er "Fred" nannte, drei weitere Täter, denen er die Spitznamen "Joe", "Bert" und "Sid" gab. In seinem späteren Buch "Odd Man Out" nennt er die Männer "Mister One", "Mister Two" und "Mister Three". Die übrigen Posträuber bestätigten dies nach ihrer Freilassung in ihrem von Piers Paul Read 1978 veröfffentlichten Buch. Ansonsten lieferten sie aber genau wie Biggs nichts erhellendes über die wahren Identitäten. Immerhin lieferten sie neue Spitznamen, die sich seither gewissermaßen "durchgesetzt" hatten:

- "Billy Jennings" aka "Flossy"
- "Frank Munroe"
- "'Big' Alf Thomas"


Weitere 35 Jahre lang blieb es Spekulation, wer wohl die wahren Personen dahinter sein mochten. Die Posträuber jedenfalls hielten alle eisern dicht. Ronnie Biggs soll angeblich ein Angebot über 1 Million Pfund abgelehnt haben, die Namen preiszugeben. Erst lange nach der Jahrtausendwende taten sich endlich Quellen auf: Zum einen hatte Großbritannien 2001 ein "Informationsfreiheitsgesetz" verabschiedet, das es ermöglichte, in bislang unzugänglichen Archiven zu recherchieren. Die darauf basierenden Anfragen von Journalisten und Buchautoren waren allerdings zunächst nicht immer erfolgreich, oft ergab sich ein Tauziehen mit den verschwiegenen und misstrauischen Behörden. Ein wichtiger Hinderungsgrund waren und sind bis heute die einzelnen Sperrfristen für die Ermittlungsakten - von denen aber immer mehr inzwischen abgelaufen sind. So kamen ab etwa 201-2012 nach und nach die Namen von allen Verdächtigen ans Tageslicht, die seinerzeit zwar vorgeladen und befragt, aber trotz vieler Indizien und teils dringenden Tatverdachts mangels Beweisen nie angeklagt worden waren. Aus dieser Gruppe gelten Denny Pembroke und Henry "Harry" Thomas Smith heute als gesichert.

Gar nicht so einfach war angesichts der Heimlichtuerei der Posträuber die Frage, wer denn hinter welchem Spitznamen steckt. Hier kommen viele immer wieder durcheinander. Smith gilt heute als die wahre Identität von "Big" Alf Thomas. Pembroke dürfte es sich um "Frank Munroe" handeln. Bis heute unbekannt blieb die Identität von "Bill Jennings", den Bruce Reynolds in seinem Buch "Flossy" nannte. In "No Case to Answer" veröffentlichte Andrew Cook auch die folgende Zuordnung der Spitznamen und der echten Personen:


Alias bei Biggs (1969) Alias bei Read (1978) Reale Person

"Bert"

"'Big' Alf Thomas"

Henry Thomas ("Harry") Smith

"Sid"

"Frank Munroe"

Denny Pembroke

"Joe"

"Bill Jennings"

unbekannt, möglicherweise Billy Ambrose


Ohnehin sind die Aussagen der Beteiligten aus verschiedenen Gründen mit Vorsicht zu genießen. Zum einen wurden bewusst Nebelkerzen geworfen, zum anderen lässt viele nach so langer Zeit auch das Gedächtnis im Stich. So sagte Bruce Reynolds Anfang 2007, einer der drei Männer sei noch am Leben. Nach heutigen Informationen lebten aber sowohl Pembroke als auch Smith noch zu jender Zeit. Relativ einig waren sich die Posträuber, so auch Reynolds, dass es einer der drei Unbekannten gewesen sei, der den Lokführer Jack Mills geschlagen hätte.



Der Informant:


Patrick McKenna (?), alias "The Ulsterman"(43)
* um 1930, Belfast
+ 1992, London

Im September 2014 gab Gordon Goody im Verlauf einer TV-Doku den Namen des Informanten preis, der den Tipp mit dem Postzug gegeben hatte. Er war bislang nur als "The Ulsterman", zu deutsch "der Mann aus Nordirland", bekannt. Laut Goody handelte es sich um einen in Belfast geborenen Eisenbahn-Mitarbeiter aus Islington (Nord-London). Er sei ihm durch einen Bekannten vorgestellt worden und habe die Gang informiert, wie und wann an den Postzug von Glasgow nach London heranzukommen sei. McKenna sei auch derjenige gewesen, der die Verschiebung des Raubes um einen Tag auf den 8.8.1963 empfohlen habe.

McKennas Familie reagierte ungläubig und ablehnend auf die Nachricht, da McKenna immer sehr ärmlich gelebt und nie Geld besessen habe. Sie sind bis heute überzeugt, dass Goody sich irren müsse. Ob es so war, und wo McKennas Anteil aus dem Postraub geblieben sein sollte, bleibt Spekulation.

Einige Zeit später tauchte ein anderer Name für den möglichen Informanten auf. Im Umfeld der Posträuber war ein Sammy Osterman ausgemacht worden, und die Theorie besagte, dass der Name "Osterman" als "Ulsterman" missverstanden worden war. Näher erforscht ist diese Theorie meines Wissens nach nicht.

Ob McKenna oder Osterman, letztlich bleibt es bis auf weiteres Spekulation. Ich persönlich neige noch eher zur ersten Variante. Gordon Goody muss ihn irgendwoher gekannt haben, so etwas kann man nicht von Spanien aus erfinden und dabei per Zufall einen real existierenden Menschen erwischen, der tatsächlich in der besagten Zeit auch noch bei der British Rail gewesen ist.



Der Unbeteiligte:


William Gerald "Bill" BOAL (50)
* 22.10.1913
+ 25.6.1970

Feinmechaniker aus Fulham und langjähriger Freund von Roger Cordrey, den er beim Snookerspielen kennengelernt hatte. Er wurde zusammen mit Cordrey in Bournemouth festgenommen und verstrickte sich durch sein aggressives Verhalten gegenüber der Polizei rettungslos. In Aylesbury 1964 zu 24 Jahren Haft verurteilt; im Berufungsverfahren wurde die Strafe auf 14 Jahre reduziert. Boal verbrachte seine Haft in Verbitterung, bäumte sich immer wieder gegen das ihm geschehene Unrecht auf und isolierte sich von allen Mitgefangenen. Er starb nach längerer Krankheit am 25. Juni 1970 an einem Hirntumor im Gefängniskrankenhaus. Seine Frau konnte das Angebot, ihn zu Hause bis zum Tod zu pflegen, aus finanzieller Not nicht annehmen. "Ich habe nicht einmal ein Badezimmer für ihn" wurde sie in der Presse zitiert.

Boal ist ohne Zweifel eine unglaublich tragische Figur. Sein Problem bestand neben seinem unkontrollierten Temperament, mit dem er immer wieder Verdacht erregte, vor allem in einem Dielmma der Posträuber. Sie wussten alle, dass er nicht beteiligt gewesen war, mussten sich aber während des Prozesses und in den ersten Jahren danach hüten, dieses "Täterwissen" preiszugeben. Der Fall Boal wirft auch ein sehr kritisches Licht auf die Ermittler und die Staatsanwaltschaft. Boal war nicht auf der Farm gewesen, ihm konnte nichts nachgewiesen werden, außer mit Cordrey zusammen im Besitz von Geld aus dem Postraub gewesen zu sein. Det. Superintendent Fewtrell sagte selbst, er sei nie von der Schuld Boals überzeugt gewesen. Der Spruch "in dubio pro reo" - im Zweifel für den Angeklagten - dürfte bei Boal ignoriert worden sein. Die Strafe von 24 Jahren ist eher ein Beleg für den alten Spruch "mitgefangen, mitgehangen".



Die Strohmänner:



Brian Arthur FIELD(29)
* 15.12.1934
+ 27.4.1979 (Autounfall)

Brian Field wird immer als "Rechtsanwalt" tituliert, hat aber tatsächlich wohl niemals studiert und war lediglich "Managing Clerc" einer Anwaltskanzlei. Im Deutschen wäre das ein (leitender) Rechtsanwaltsfachangestellter. Brian Field brachte die Posträuber mit dem Tippgeber in Kontakt und wickelte den Kauf der Leatherslade Farm auf den Namen seines (nicht mit ihm verwandten) Strohmannes Leonard Field ab. Seine Biographie: Brian Field wurde unmittelbar nach seiner Geburt von einem Ehepaar aus Süd-London, Reginald und Ivy Field, adoptiert. Nach der Schule Ausbildung zum Rechtsanwaltsgehilfen, von April 1953 bis April 1953 zwei Jahre Wehrdienst im Royal Army Service Corp, darunter auch ein kurzer Einsatz im Koreakrieg. Bei der Entlassung wurde ihm von der Armee ein "guter Charakter" bescheinigt. Nach Gelegenheitsjbs u.a. als Schriftsetzer und Operator für Rechenmaschinen, fand er seine Berufung als Mitarbeiter bei einem Ingenierubüro, wo er sehr schnell Karriere machte. Nach der Insolvenz des Unternehmens, bei der Field kurzzeitig mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war, nahm er seine Arbeit als Rechtsanwaltsgehilfe wieder auf und wurde 1959 dann "Managing Clerk" bei der Sozietät TW James & Wheater. Hier war der geborene Netzwerker Field in der Lage, seine zuvor erworbenen Fähigkeiten bei der Geldwäsche einzubringen und baute für die Kanzlei das Geschäft mit der Halbwelt auf, das ihnschließlich auch mit dem Postraub, genauer mit Gordon Goody und Buster Edwards, in Verbindung brachte. Seine deutsche Frau Karin verfasste nach dem Prozess Artikelserien im deutschen Magazin "Stern". Von Field bzw. seinem Vater stammte die Tasche, die mit Geld aus dem Überfall auf einer Lichtung gefunden wurde. Eine darin steckende Rechnung des Hotels Sonnebichl aus Hindelang im Allgäu, ausgestellt auf "Herrn und Frau Field", brachte die Polizei auf seine Spur. Seine Verurteilung zu 25 Jahren beim Prozess in Aylesbury 1964 wurde im Berufungsverfahren aufgehoben. Die zweite Verurteilung Wegen "Verschwörung zur Behinderung der Justiz" mit 5 Jahren Haft blieb bestehen.

Brian Fields Rolle beim Postraub ging weit über die eines mehr oder weniger arglosen Strohmanns hinaus. Er hatte Beziehungen zu mehreren der Posträuber und galt auch als Makler für Tipps in der Unterwelt. Mit seiner Frau lebte er in einem für sein Alter und Beruf erstaunlichen Wohlstand. Schon das bemerkenswert luxuriöse Haus der Fields, "Kabri", benannt nach den Vornamen beider Eheleute, konnte eigentlich nicht auf redliche Weise zustande gekommen sein. Er stand sehr früh auf der Liste von Scotland Yards Commander Hatherill. Dennoch kam er als Jurist vor Gericht am Ende viel billiger weg als die Posträuber. Auch wenn es etwas nach Stammtisch-Niveau klingt, der Spruch "eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" mag vielen damals in den Sinn gekommen sein.

1967 wurde Brian Field wieder freigelassen. Karin hatte sich längst von ihm scheiden lassen und einen deutschen Journalisten geheiratet. Field änderte seinen Namen in "Charlton" (nach anderen Quellen "Charbren") und verschwand aus dem Blick der Öffentlichkeit. Er starb 1979 gemeinsam mit seiner dritten Ehefrau Sian (26) bei einem schweren Verkehrsunfall auf der Autobahn. Erst Wochen nach dem Unfall wurde seine Identität enthüllt. Ob seine Frau Sian davon gewusst hatte, konnte nie geklärt werden.



Leonard Dennis FIELD(31)
* 1931
+ Datum unbekannt

Seemann. Nicht verwandt mit Brian Field, den er als Verteidiger seines älteren Bruders Harry Alexander Field (inhaftiert wegen Rennpferd-Dopings) kennengelernt hatte. Er kaufte die Leatherslade Farm für 5.500 Pfund (heute ca. 110.000 €). Seine Verurteilung zu 25 Jahren beim Prozess in Aylesbury 1964 wurde im Berufungsverfahren aufgehoben, die zweite von 5 Jahren wegen "Verschwörung zur Behinderung der Justiz" blieb ebenso wie bei seinem Namensvetter Brian bestehen. Ebenso wie er wurde Leonard 1967 freigelassen.



John Denby WHEATER(42)
* 17.12.1921
+ Juli 1985

Rechtsanwalt und Chef von Brian Field. Der Weltkriegs-Veteran und Leiter einer Anwaltskanzlei geriet als Vorgesetzter von Brian Field in Verdacht, von den Aktivitäten seines Mitarbeiters gewusst zu haben. Er wurde beim Prozess 1964 in Aylesbury wegen "Verschwörung zur Behinderung der Justiz" zu drei Jahren Haft verurteilt. Schon im Februar 1966 wurde er entlassen und leitete ab da eine Wäscherei in Harrogate, die seiner Familie gehörte.

John Wheater war nach den damaligen Berichten ein anständiger, aber unorganisierter und zerstreuter Mann, der mit den Finessen und Grauzonen seines Berufsstands intellektuell überfordert war. Man kann davon ausgehen, dass er von seinem cleveren und ehrgeizigen Mitarbeiter Brian Field ausgenutzt wurde. Wheater ist auch eine interessante Parallele zu Bill Boal, die erneut zeigt, dass die Juristen in dieser Sache besser davonkamen.