Die Polizei und Ihre Jagd nach den Posträubern


Von den tausenden Polizeibeamten, die im Laufe der Zeit an der Suche nach den Posträubern beteiligt waren, ragen einige heraus:

Detective Superintendent Malcolm F e w t r e l l  (* 1909 + 2005)

Als Chef der Kriminalpolizei (C.I.D.) in Buckinghamshire leitete er die Ermittlungen vor Ort und wurde zunächst zum bekanntesten Gesicht in den Medien, tauchte sogar in Zeitungskarrikaturen auf. Von ihm stammt die berühmte Aussage, die Leatherslade Farm sei "one big clue" (Eine einzige große Spur). Während des Prozesses von Aylesbury ging Fewtrell in Pension und schrieb danach ein viel beachtetes Buch über den Postraub, "The Train Robbers". In diesem kritisierte er die Behinderung von Polizei und Justiz durch das britische Recht, dass dem Täter zu viele Vorteile einräume. 

Die Polizei konnte erst gegen 4:24 Uhr (knapp 80 Minuten nach dem Überfall) durch einen Beamten des Postzuges (Thomas Miller) benachrichtigt werden, der dazu "per Anhalter" bis zum Bahnhof Cheddington fahren musste, und von dort vorschriftsgemäß im Zielbahnhof Euston Station (London) anrief. Dort informierte die Bahn Scotland Yard, wo der diensthabende Offizier seinerseits die lokale Polizei in Aylesbury benachrichtigte. Dann jedoch setze setzte sich relativ schnell gemäß eines Notfallplanes für außergewöhnliche Fälle diegesamte  Polizeimaschinerie in Gang. Hunderte von Polizisten wurden zwecks Straßensperren und Kontrollen in Marsch gesetzt. Schon gegen 5:00 traf Fewtrell zusammen mit Assistant Chief Constable George Wilkinson am Tatort ein. Im Verlaufe des Vormittages forderte er über seinen Vorgesetzten, Brigadier John Cheney, Verstärkung durch Scotland Yard an. Diese traf gegen 23 Uhr ein - in Person von

Detective Superintendent Gerald M c A r t h u r und

Detective Sergeant Jack  Jack P r i t c h a r d

die beide bald unter dem Spitznamen "Mac und Jack" bekannt wurden. Ihre Ankunft in Aylesbury wurde von Fewtrell dennoch mit Enttäuschung quittiert, denn nur zwei Mann waren eine lächerlich geringe Verstärkung angesichts des beispiellosen Falles, den es zu lösen galt: "Scotland Yard, jene legendäre Institution, produzierte nach einem Berg von Gerede eine Maus von Hilfe. Normalerweise gehen zwei-Mann-Teams dieser Art los, um einen Mord in der Provinz zu untersuchen. Nun waren lediglich zwei Detectives auf der Suche nach Millionen gestohlener Pfund und mindestens fünfzehn Mann, die skrupellos genug waren, einen älteren Lokführer zu schlagen. Kein vielversprechender Start für die große Suche".

Doch das Trio kam bald zu einem interessanten Ermittlungsansatz: Jack Pritchard erwähnte den kolportierten Satz eines Posträubers "Keine Bewegung für die nächste halbe Stunde" und gab damit Anlass für die folgende Hypothese: Die Posträuber seien nicht sofort nach London oder Birmingham zurückgekehrt, wo man ihre Herkunft zu jener Zeit schon vermutete, sondern hätten sich einen Unterschlupf in einer Entfernung von etwa 30 Minuten Fahrzeit vom Tatort gesucht. So entschied sich die Polizei, unter Aufbietung aller Kräfte systematisch alle in frage kommenden Gebäude im Umkreis von 30 Meilen um die Bridego Brücke zu untersuchen. Zudem informierte mann die Medien umfassend von diesem Vorhaben, in der Hoffnung, die Posträuber damit unter Druck zu setzen und sie zu Fehlern zu provozieren. Inzwischen wurden im Radio die ersten Belohnungen von Post und Versicherungsgesellschaften ausgelobt: 35.000 Pfund, eine Zahl, die schließlich bis auf ungalubliche 250.000 Pfund anstieg. Mehr, als jeder Posträuber als Anteil hatte.


Tatsächlich ging dieses Kalkül auf, denn schon im Verlaufe desselben Tages (Freitag, 9. August) scheinen die meisten Posträuber die Leatherslade Farm relativ hastig verlassen zu haben, die letzten vermutlich am Samstag. Die Polizei wurde unterdessen mit Hinweisen aus derBbevölkerung überschüttet und konnte den Anrufen unter "Aylesbury 5010" kaum noch Herr werden. Unter den vielen Hinweisen dann schließlich der entscheidende: Am Dienstag (13. August) wurde der Unterschlupf entdeckt. Nachdem der Knecht (Herdsman) John Maris aus Oakley schon zum zweiten Mal innerhalb 24 Stunden auf die verdächtigen Vorgänge in der benachbarten Leatherslade Farm hingeweisen hatte, machten sich am selben Vormittag zwei Polizisten, Sergeant Ron Blackman und P.C. Wooley auf den Weg. Sie fanden die Farm verlassen vor. Im Erdgeschoss fanden sich unter anderem Teller, Becher und Essbestecke für etwa 16 Personen sowie umfangreiche Lebensmittelvorräte. Im Keller des Gebäudes machte P.C. Wooley dann den große Fund: dutzende Postsäcke, gefüllt mit Banderolen für Banknoten!

Sofort rückten zahlreiche Polizeikräfte an, um die Farm zu untersuchen, vor allem aber, um sie vor Schaulustigen und Journalisten zu schützen. Fewtrell und McArthur untersuchten die Postsäcke im Keller und nahmen die Vorräte der Posträuber unter die Lupe: Es fanden sichunter anderem  fast 200 Eier, mehrere kleine Metallfässchen Bier, Konservendosen und 34 Rollen Toilettenpapier. Im Stall stand ein Drei-Tonnen-LKW, in dessen Ladefläche ein raffinierter doppelter Boden eingearbeitet war, der für etwa 100.000 Pfund aus der Beute ausgereicht hätte. In den beiden Garagen fanden sich zwei Landrover mit identischen Kennzeichen. Im Garten hinter dem Haus war eine Grube ausgehoben, in der offenbar Müll vergraben werden sollte. Am Nachmittag wurde von Commander Hatherill eine Pressekonferenz angesetzt, auf der über die Entdeckungen berichtet wurde.

Am Mittwoch, 14. August, kamen alle nur denkbaren Spurensicherungs-Experten von Scotland Yard auf der Farm an und begannen mit der Arbeit. Inzwischen wurde die Farm von Reportern belagert - nicht nur zu Lande, sondern auch in der Luft. "Eine komplette Luftwaffe von Fotografen in jedem Flugzeug dessen sie habhaft werden konnten kreiste über uns. Ich fing sogar an, mir Sorgen zu machen, dass es zu einem Zusammenstoß zweier Flugzeuge kommen könnte, weil es keine Luftraumüberwachung gab. Das hätte unsere Aufgabe noch mehr verkompliziert" schrieb Fewtrell später.

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